Haus der Düfte testet: SUN BLEACHED
Klaus-in-da-Haus sagt: Une Nuit Nomade erfindet den Orientalen neu
Ach ja, die Metapher von Parfum als Reise. Selbst wir als leidenschaftliche Duftfreunde müssen zugeben, dass uns das Bild der Duftreise, das nicht wenigen Kreateuren als Grundlage für ihre Kompositionen gilt, gelegentlich ein wenig überstrapaziert scheint. Bei all den Versprechen, uns olfaktorisch in ferne Regionen fortzutragen, bedarf es schon einiger Finesse, um diesem Thema noch neue, überraschende Nuancen abzugewinnen. Der Schlüssel zur Originalität und Subtilität kann hier nur persönliches Erleben sein – eigene Ortskenntnis gepaart mit kreativitem Feingefühl sowie der Fähigkeit zur Raffinesse bei der Umsetzung.
All dies darf man bei Alexandra Cubizolles und Philippe Solas von UNE NUIT NOMADE voraussetzen. Sie sagen auf ihrer eigenen Homepage: „Wir haben ‚Une Nuit Nomade‘ konzipiert, während wir bei Universal Music arbeiteten, wo Alexandra Art Director und Philippe Director of Marketing war. Es war uns wichtig, dieses künstlerische Universum wieder einzufangen und es in all seinen Formen auszudrücken. Dazu gehört die Verwendung von Poesie, um Geschichten zu erzählen, die von Nasen, die wir bewundern, in Parfüm umgesetzt und von der talentierten Roxane Lagache in einem einzigartigen Zeichenstil illustriert wurden.“
Das Besondere an ihren Duftreisen: Alexandra und Philippe spezialisieren sich auf drei ihnen vertraute, liebgewordene Regionen, die sie in drei entsprechende Duftkollektionen transformiert haben: Une Nuit A Montauk (die Ostküste der Vereinigten Staaten nahe New York) / Une Nuit A Oman (Oman, die Perle der arabischen Halbinsel) / Une Nuit A Bali (Das asiatische Wunder ist hier permanent gegenwärtig, an Orten wie dem unentrinnbaren Tanah Lot Tempel, einer hinduistischen Insel, die im Herzen des Ozeans liegt und von den Winden bewegt wird.) Zusammengefasst sind ihre drei favorisierten Kulturkreise unter dem Dach UNE NUIT NOMADE. Das kreative Duo gestattet sich die Freiheit, bei ihren Duftkonzeptionierungen auch regionale Geschichten von Menschen und Begebenheiten in ihre Parfums einfließen zu lassen. Als Beispiel sei hier nur „Mr. Vetiver“ genannt, das einen Mann beschreibt, von dem niemand so genau Namen und Herkunft kennt, der aber jeden Tag in der Garut-Gegend auf einem alten Holland-Fahrrad gesichtet wird. Und diese Privatheit, diese Details und Petitessen, unterscheiden die Ausflüge des olfaktorischen Nomadismus von NOMADE von den behaupteten Jet-Set-Trips herkömmlicher Duftwasser großer Marketing-Häuser, die sich mit den klangvollen Namen beliebter Metropolen schmücken, doch die Erklärung, warum ausgerechnet diese oder jene Komposition die Aura von Paris oder der Toscana wiedergeben soll, oft weitgehend schuldig bleiben.
SUN BLEACHED gehört zum Zyklus Une Nuit A Oman. Dieser hat zwei der größten Erfolge des Labels hervorgebracht: „Jardins de Misfah“ und „Ambre Khandjar“. Diese beiden opulenten wie üppig-sinnlichen Orientalen könnten in die Irre führen, würde man von ihnen auf „Sun Bleached“ schließen. Denn dieser kommt uns vom ersten Moment an, vom ersten Sprühen und Wahrnehmen der Kopfnote, überraschend frisch und mild zitrusfruchtig vor. Fast so, dass man noch einmal nach-schnuppern muss, weil man von einem orientalischen Duft eine solche gefällige, umschmeichelnde, positive Feinheit in dieser subtilen Milde gar nicht erwartet hätte. Beinah kommt einem das Wort von einer „olfaktorischen Fata Morgana“ in den Sinn – nanu, so flirrend fruchtig und energetisch kann Opulenz beginnen? Betörung, ja, Verwirrung der Sinne vom ersten Moment an. Vielleicht bringt die Eigenbeschreibung, die ursprüngliche Inspiration von Cubizolle und Solas, eine Erklärung für dieses ungewöhnlich gewählte Entrée? Sie sagen: „Stell Dir vor, Du bist in Muscat, der Hauptstadt des Sultanats Oman, auch bekannt als die Weiße Stadt. Der Morgen bricht an und die Sonne erobert mit ihren Strahlen die makellosen Mauern einer erwachenden Stadt. Die Omanis ziehen durch die Straßen und tragen elegant ihre berühmten Dishdashas – eine lange, weiße Tunika mit einem Pompon um den Hals, der zart in Parfüm getaucht ist. ‘Sun Bleached’ ist ein frischer Duft, der vom Schatten ins Licht übergeht und der Sonne von der Dämmerung bis zum Morgengrauen folgt.“
Eine orientalische Tagesreise vom Abend also, wenn Erde und Luft noch von der Wärme des Tages gespeist sind, die dann übergeht in die erfrischende Kühle der Nacht, in den Morgen… ja, so macht die Syntax von Sun Bleached sofort Sinn. Das Leinen der besagten weißen Tunika ist deutlich wahrzunehmen, das legere wie elegante Kleidungsstück erscheint förmlich vor unserem inneren Auge. Jetzt kann man sich als Rezensent auch endlich von dem hypnotisierend-frischen Auftakt lösen und nimmt in der weiteren Entwicklung die angenehme Cremigkeit von Moschus, Sandelholz und Vanille wahr. Begleitet von Akkorden von aromatischen Zitrusfrüchten und der Eleganz weißer Blüten ergibt sich so ein rundes Parfum, das als einiges der wenigen orientalischen tatsächlich die Assoziation von „Frische“ und „Erfrischung“ weckt. Das Sandelholz der Basis bewirkt hier nie eine angerauhte Pudrigkeit, auch die übliche würzige Note dieses Holzes wird durch die flankierenden Ingredenzien gut im Zaum gehalten, so dass die cremige Frische bis zum Schluss nicht verfälscht wird.
►►► Fazit: „Sun Bleached“ ist einer meiner absoluten Lieblinge aus dem Oeuvre von UNE NUIT NOMADE geworden. Wann gibt es das schon? Ein wohlkomponierter, erfrischender Orientale mit cremiger Sillage. Die beiden von UNE NUIT NOMADE beweisen, dass das Thema des olfaktorischen Nomadismus für sie keine bloße Marketing-Floskel ist, sondern sie das handwerkliche Vermögen und die Fähigkeit besitzen den beschriebenen Regionen tatsächlich olfaktorisch nachspüren zu können, auf sehr private und originelle Art und Weise. Die Haltbarkeit des Duftes würde ich als mittelstark bis gut beschreiben – ich empfehle ein Nachsprühen nach etwa 4 Stunden.
Bei uns erhältlich als Eau de Parfum Vapo 50 ML und im Reiseflakon zu 25 ML.